In seiner Monographie "Vorschlag einer Systemtheorie des Geistes", Cuvillier-Verlag Göttingen (2016) beschreibt Prof. Ralf Otte unter anderem das unterschiedliche Verhalten
der Endzustände bei der Berechnung von Julia-Funktionen, die er als dynamisches, selbstorganisierendes Modell für Wahrnehmungs- und Bewusstwerdungsprozesse nutzt.
Da in diesem Essay hier Schwarmverhalten von Gedankenprozessen postuliert wird, wird im Folgenden versucht, Ansatzpunkte
für ein mögliches Schwarmverhalten zu finden.
Die Grafiken und Videos hier wurden 2024 erstellt.
Die hier in Grafiken verwendeten Iterationsverfahren basieren auf dem von Michael F. Barnsley beschriebenen Fluchtzeitalgorithmus. Die Berechnung von Endergebnissen nach Vorgabe einer Anzahl von Iterationen führen dabei bei einer konstanten Störgröße c zu unterschiedlichen Ergebnisklassen, wobei sich bei einigen Julia-Funktionen bei der Berechnung unter den Bedingungen der Hausdorff-Metrik Mengen mit kontraktierenden Berechnungsergebnissen herauskristallisieren, deren Grenzwerte zu Fixpunkten führen, die auch als Attraktoren bezeichnet werden:
Ralf Otte interpretiert die Bildung eines Attraktors (Typ 1) als das Erkennen als Folge einer Wahrnehmung bzw. eines Gedanken; Typ 2 als das
Alternieren von Wahrnehmungen/Gedanken; Typ 3 als einen permanenten Fluss diskreter Zustände. Ausgehend von unbewussten Zuständen entspricht die Iteration
einem rekursiven dynamischen Prozess, der bei der Konvergenz zu einem Attraktor als vorbewusster Zustand gedeutet wird. In Konkurrenz und Überlagerung mit
anderen vorbewussten Zuständen (z.B. Erinnerungen) kann nach einer Wechselwirkung über die von Ralf Otte beschriebene Aufmerksamkeitsfunktion der Iterationsprozess zu einem
bewussten mentalen Zustand kollabieren, bis schließlich neue Wahrnehmungen zu einem neuen Iterationsprozess führen.
Michael F. Barnsley hat gezeigt, dass die
Abbildung der Ergebnisse der Iterationen auf eine Riemannnsche Sphäre unter der Menge ℂ^ zu einem attraktiven Fixpunkt bei 0 (Südpol) führt und beim Fluchtverhalten bei ∞ zu
einem repulsiven Fluchtpunkt am Nordpol. Übertragen auf eine Ebene entspricht diese Dynamik einer einfachen Möbiustransformation, bei der sich die Bildung der
attraktiven Fixpunkte in Gestalt einer iterierenden Spirale vollzieht.
Heinz-Otto Peitgen hat außerdem gezeigt,
dass Iterierte Funktionensysteme nicht nur zu invarianten Punkten führen können, sondern statt dessen mehrere oder sogar unendlich viele Attraktoren
besitzen können. Weiter unten werden einige Beispiele gezeigt.
Das von Ralf Otte definierte Modell der Bewusstwerdung, das ebenfalls auf einem dynamischen, selbstorganisierenden Iterierten Funktionensystem aufbaut,
steht bisher nicht im Widerspruch zu dem schon mehrfach genannten Schwingungsprozess, der von Lama Anagarika
Govinda beschrieben wurde, und auch nicht zu dem etwas gröberen Modell über den Gedankenprozess der 3 Nen von
Katsuki Sekida, weswegen das
Modell der 3 Nen zunächst kurz beschrieben wird, dessen Schwerpunkt auf der Modellierung des Gedankenpozesses liegt. Die 3-stufige Struktur
der 3 Nen zeigt Ähnlichkeiten mit dem ebenfalls 3-stufigen Modell von Ralf Otte, wobei aber das Modell der 3 Nen nicht auf iterativen
Berechnungen beruht.
Das Modell der 3 Nen entspricht im weitesten Sinne einem fortlaufenden, rekursiven Zustandssystem, bei dem permanent neue rückbezügliche Zustände mit 3
unterschiedlichen Qualitäten gebildet und vernetzt werden. Das endlos fortlaufende Zustandssystem entspricht dabei dem Graph einer endlosen fortlaufenden Baumstruktur mit
rückbezüglichen Verbindungen, wobei jeder neue Zustandsknoten dem gerade in diesem Moment entstehenden Bewusstseinsmoment bzw. Wahrnehmungsmoment entspricht.
Die folgende Aufstellung beschreibt in Kurzform die 3 verschiedenen Typen der 3 Nen sowie ihre möglichen Beziehungen untereinander:
(Die Grafiken zu den 3 Nen wurden übernommen aus
Gedanken über Gedanken - Teil III)
Die Grundstruktur für die rückbezüglichen 3 Nen zeigt das folgende Bild, bei dem hier vereinfacht aber nur eine vernetzte Listenstruktur verdeutlicht wird;
die möglichen Verbindungen zu älter zurückliegenden Einflüssen/Erinnerungen/Gedanken aus denen sich eine Baumstruktur ergibt, sind hier
nicht dargestellt (in diesem Bild sind bei dem 1. und 2. Nen auf der rechten Seite rückbezügliche Verzweigungen des Baums lediglich angedeutet).
Weitergehende Beispiele in Verbindung mit semantischen und emotionalen Inhalten findet man bei Katsuki Sekida. Er führt dort auch besondere Formationen der 3 Nen auf,
aus denen sich pathologische Geisteszustände oder auch nonduales Erleben ableiten lassen.
Auch das von Lama Anagarika Govinda beschriebene Schwingungsmodell, das auf Beschreibungen von
Buddhagosa aus dem 5. Jahrhundert beruht, lässt sich inhaltlich mit dem Modell
der 3 Nen und auch mit dem Modell von Ralf Otte weitgehend zur Deckung bringen, wobei das Modell der 3 Nen von Katsuki Sekida hier schon sehr vereinfachend gegenüber
dem von Lama Anagarika Govinda beschriebenen Schwingungsmodell erscheint. Die schon im Abschnitt "5. Simulationen" beschriebenen Schwingungen des Schwingungsmodells
kann man vermutlich mit dem Iterationsprozess bei Julia-Funktionen gleichsetzen. Die dort beschriebenen 17 Schwingungen entsprechen dabei dem kleinstmöglichen
Schwingungsprozess einer Wahrnehmung bis zur Bewusstwerdung des Selbst (komplexere Schwingungsmuster geben dann semantisch vergleichbare Inhalte wieder, wie sie auch von dem Modell
der 3 Nen gebildet werden können). Lama Anagarika Govinda beschreibt Ausarbeitungen von
Shwe Zan Aung, demzufolge eine Prozessabfolge von 4 Prozessen (vîthi)
nach mehreren hunderttausend Wiederholungen dazu führen, dass aus der Betrachtung beispielsweise einer Rose, aus den bei dieser Prozessfolge entstehenden
Teilbildern sich das Gesamtbild einer Rose im Geist ergibt. Ähnliches gilt auch für die Prozessabfolge beim Sprechen von Worten.
Wegen der größeren Ähnlichkeit des Schwingungsmodells mit Iterierten Funktionensystemen, deren Attraktoren Julia-Mengen/-Flächen sind,
werden im Folgenden einige Grafiken vorgestellt, aus denen sich eine Beziehung zwischen den Schwingungen und den Attraktoren konstruieren lassen sollte;
eine schlüssige Verbindung zwischen dem Schwingungsmodell von Lama Anagarika Govinda und dem Modell von Ralf Otte zeigt sich dabei aber noch nicht.
Zunächst einige Beispiele, bei denen Attraktoren gebildet werden. Dabei wird die Störgröße c derart gewählt, dass als Ergebnis Julia-Mengen und -Flächen gebildet werden. Die
Störgröße c wird in diesen Beispielen auch gleichzeitig als Startwert für die Berechnung des Attraktors verwendet. Grundsätzlich gilt, dass die gesamte innere Fläche
der Julia-Funktion einem Attraktor entspricht. Bei den hier verwendeten Einzelberechnungen von Attraktoren werden
die Iterationsschritte durch (transparente) Linien, Punkte, Symbole und Farben kenntlich gemacht.
Symbolik:
Zunächst werden Beispiele für verschiedene Attraktoren und Trajektorien gezeigt, bei denen noch kein Bezug auf die Zahl von Schwingungen wie von
Lama Anagarika Govinda genommen wird.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berechnungen der Attraktoren, Trajektorien sowie deren grafische Darstellungen erst nachträglich in den Algorithmus
zur Berechnung von Julia-Mengen integriert wurden, so dass Fehler derzeit nicht ausgeschlossen werden können.
Bild 1 zeigt die Bildung einer Trajektorie in den Attraktor nach 50 Iterationen. Dabei zeigt sich eine um einen
Mittelpunkt bestehende Schwingung der einzelnen Iterationsschritte mit abnehmender Distanz vom Mittelpunkt.
Ein abschließender zentraler Mittelpunkt hat sich noch nicht gebildet (roter Endpunkt). Nach 500 Iterationen (Bild 2) erreicht der
Hutchinson-Operator W eine weitere Annäherung an den Mittelpunkt (fast zentraler roter Endpunkt).
Bild 3 zeigt die Vergrößerung des zentralen Bereichs der Trajektorie. Der Endpunkt liegt strebt auf einen zentralen Punkt zu. Die Anordnung
der Zwischenergebnisse aus den einzelnen Iterationsschritten (graue Punkte) lässt den Schluss zu, dass man die gesamte Julia-Menge bzw. Fläche in
eine Schwingung versetzen kann, indem man die Störgröße c nach jedem Iterationsschritt auf das letzte Zwischenergebnis setzt: ci+1=ci
In den Bildern 1-3 zeigt sich, dass einige wenige Zwischenergebnisse der Iteration (graue Punkte) nicht jeweils eine Eingangs- und Ausgangslinie aufweisen, sondern
anscheinend nur eine Verbindungslinie aufweisen. Hier wäre zu prüfen, ob Ein- und Ausgang auf einer Geraden liegen oder sogar zum Vorgängerpunkt zurück führen.
Bild 4 zeigt eine stark alternierende Trajektorie, die sich keinem zentralen Attraktorpunkt annähert. Auch hier wäre noch zu prüfen, welche Arten
von Schwingungen entstehen, wenn man die Störgröße nach jedem Iterationsschritt auf das Vorgängerergebnis setzt: ci+1=ci
Bild 5 zeigt ansatzweise einen Orbit dicht an der Julia-Menge, der allerdings bereits nach wenigen Iterationen als Fluchtpunkt endet und somit einem
Seltsamen Attraktor nur ansatzweise nahekommt. (Der rote Endpunkt liegt knapp außerhalb der umhüllenden Menge der Julia-Menge, so dass der Berechnungsalgorithmus
hier abbricht).
Bei den Bildern der Serie 2 wurden als Samples für die Berechnung von Trajektorien gitterförmig Startwerte angelegt, von denen aus die einzelnen
Trajektorien in das Bild projiziert werden. In Abhängigkeit von der Darstellungsvariante können Endpunkte der
Trajektorien (rot) ebenfalls angezeigt werden. Wegen der Dichte der Zwischenergebnisse werden keine grauen Markierungen mehr angezeigt und auch die exakten
Startpositionen werden nicht hervorgehoben; es
werden lediglich Trajektorien und ggf. die Endpunkte angezeigt.
Die Endpunkte (rot) müssen bei einigen Einstellungen außerdem
algorithmisch reduziert werden, damit nicht überladene Rasterflächen entstehen. Der Algorithmus reduziert aus optischen Gründen außerdem Endpunkte, die zu dicht ( < 3 Pixel )
am Startpunkt der Trajektorie liegen.
Bild 1 enthält dieselbe Störgröße wie bei Bild 1 aus Serie 1. Bei 50 Iterationen und 40401 Trajektorien zeigt sich auch hier, dass ein
Attraktor mit einem einzelnen Endzustand nicht existiert. Vielmehr wird ein Attraktorbassin im Innern der Julia-Fläche sichtbar und viele Fluchtpunkte
außerhalb der Julia-Menge.
Bild 2 enthält eine Ausschnittsvergrößerung aus dem Attraktorbassin von Bild 1. Die sich ergebenden Muster von Endpunkten variieren allerdings bei unterschiedlichen
Einstellungen im Hinblick auf die Zahl von Trajektorien und Vergrößerungen; hier gezeigt wird aber lediglich das gewählte Beispiel mit den genannten Einstellungen.
Bei Bild 3 wurde die Zahl der Trajektorien bei gleichem Maßstab und Ausschnitt wie bei Bild 2 auf 167 reduziert, wobei aber gleichzeitig nur Startwerte
auf der realen Achse zugelassen wurden. Hierdurch wurde die Struktur der Trajektorien der realen Achse hervorgehoben und die Struktur der Endpunkte reduziert.
Bild 4 zeigt Trajektorien, die weitgehend in Richtung ∞ streben.
Hier wurde eine Störgröße gewählt, bei der keine Julia-Menge mehr entsteht, und ein
Maßstab gewählt, der einen Blick auf ein äußeres Gebiet zulässt. Bei dieser Einstellung
gibt es hier keine Cauchy-Folgen mehr, die zu gefangenen Punkten innerhalb einer Julia-Menge führen.
In Bild 5 werden zusätzlich die Fluchtpunkte ausgegeben, die nicht sofort in Richtung unendlich weisen.
Es zeigt sich, dass sich scheinbare Häufungspunkte bzw. ein repulsives Attraktorbassin
auch außerhalb einer Julia-Fläche bilden können.
Eine mögliche Bedeutung eines derartigen Häufungspunktes und derartiger Trajektorien im Hinblick auf Unbewusstes wäre zu klären.
Bild 5 aus Serie 1 (oben) zeigt als Folge der gewählten Störgöße eine Struktur der Julia-Menge, die lediglich Fatou-Staub aufweist.
Daher werden hier noch ein paar Darstellungen dieser Struktur in
Verbindung mit Trajektorien vorgenommen.
Bei Bild 6 wurden nur 4 Iterationen durchgeführt, die noch Wahrscheinlichkeitsdichten aufweisen, aus denen sich nach dem Modell vom
Lama Anagarika Govinda Beobachtungen im virtuellen
Beobachtungsraum ableiten lassen sollten. Dargestellt ist ausschließlich eine Reihe von Trajektorien, die auf der realen Achse beginnen. Die Endpunkte
aller Tajektorien sind rot markiert. Die zentrale rote Linie stellt diejenigen dicht beieinander liegenden Endpunkte dar, die auf der Realachse gestartet
wurden und sofort wieder terminieren. Trajektorien innerhalb der ε-Sphäre führen teilweise zu Endpunkten, die noch innerhalb der ε-Sphäre liegen. Der
Versatz paralleler, senkrechter Linien mit undefinierten Werten lässt vermuten, dass die Ursache in der Beschränktheit der Gleitkommamenge G und ihren
Rechenregeln liegt.
Bei Bild 7 wurden die Trajektorien auch für die imaginären Werte gebildet. Hierbei zeigt sich ein Attraktorbassin innerhalb der ε-Sphäre.
In Analogie zu den Phasen der Bewusstwerdung findet nach Lama Anagarika Govinda mit der 4. Schwingung die Gewahrwerdung beim Prozess
der Bewusstwerdung statt.
Im Vergleich dazu werden bei den Bildern 8 und 9 Trajektorien mit 50 Iterationen gegenübergestellt. In Bild 8 kann man die zunehmende Ausbildung
eines Seltsamen Attraktors als Abhängigkeit vom Startpunkt der Trajektorie erkennen. Bei Bild 9 sieht man, dass das Attraktorbassin den
zentralen Bereich der ε-Sphäre verlassen hat. Einige Endpunkte der Trajektorien liegen aber dennoch innerhalb der ε-Sphäre, so dass
man vermuten kann, dass hier Ergebnisse entstanden sind, die auf vorbewusste geistige Zustände gemäß der Interpretation von Ralf Otte hinweisen.
(Zur besseren Sichtbarkeit der Endpunkte der Trajektorien innerhalb der ε-Sphäre wurden die grauen Trajektorien teilweise stark gedimmt.)
Bei 4 Iterationen zeigen die Wahrscheinlichkeitsdichten in kleinen Gebieten Werte, die grundsätzlich eine Messung ermöglichen sollten. Diese Messbarkeit
nimmt aber mit steigender Iterationszahl ab, wie schon in Abschnitt "7. Grenzwerte" gezeigt:
Der Verlauf der Trajektorien insgesamt lässt die Vermutung zu, dass ein Iterationsablauf bei veränderlicher Störgröße mit ci+1=ci sich ein
selbstregulierendes, bisweilen schwingendes Systemverhalten zeigt, bei dem sich die Struktur der Julia-Menge in vielen Fällen selbst stabilisiert,
solange die Ergebnisse der Iterationen einer Cauchy-Folge entsprechen.
Im Raum steht auch noch das Postulat, dass Gedanken und Gedankenfolgen, -ketten sowie der Denkprozess an sich durch sich selbstorganisierende Schwarmregeln, die sich
nach Ansicht im Dzogchen auf Basis einer
inhärenten sich selbst organisierenden Intelligenz bilden und ausdrücken. Um hier einen Schritt weiter zu kommen, macht es Sinn, die Trajektorien, die in den Bildern
Strukturen aufweisen, auf mögliche Regeln zu untersuchen. Als Analogie zu diesen Trajektorien kann man das folgende Video über das herkömmliche Schwarmverhalten mit der
Gradientenregel (nach Craig Reynolds) ansehen, bei dem Nachbarschaftsgruppen ebenfalls zu virtuellen Trajektorien führen, die den Trajektorien in den Bildern oben ähneln:
(0:31 min)
Das Video mit dem Schwarmverhalten und der Hervorhebung von Trajektorien ist ähnlich aufgebaut wie das Bewusstseinsmodell von Ralf Otte mit seinem
Möglichkeitsfeld, der Übertragungsfunktion und dem virtuellen Beobachtungsfeld. Die kleinen roten Punkte im Video zeigen die scheinbar real vorhandenen Boids, die
in unserer als real erscheinenden Umwelt einzelnen Schwarmmitgliedern (z.B. Fische) entsprechen. Der Prozess des Erkennens von Nachbarn, ihrer Bewegungsrichtung, der Abschätzung
von Kollisionen, der Bewegungsannäherung auf einen Zielpunkt entspricht in Analogie der Übertragungsfunktion von Ralf Otte, bei der es zu einem Bewusstwerdungsprozess
kommt. Die Entscheidung über eine einzuschlagende Zielrichtung erfolgt aber unter der Kontrolle der Schwarmregeln, die man als inhärent im Möglichkeitsfeld ansehen kann,
wobei aus den potenziellen Bewegungsmöglichkeiten diejenige ausgewählt wird, die am besten zu den Schwarmregeln passt. Somit entspräche dieser Entscheidungsprozess
einem Vorgang innerhalb des Möglichkeitsfeldes. Auch beim Menschen kann man einen vergleichbaren Entscheidungsprozess über die Libet-Experimente nachweisen (mit all den
daraus sich ergebenden philosophischen Konsequenzen).
Ein wesentlicher Unterschied zu dem Modell von Ralf Otte besteht darin, dass die Berechnungen hier nicht mehr auf der Menge ℂ der komplexen Zahlen und
ihrer hyperkomplexen Algebra beruhen, die bei der Umsetzung mit Software zu
Einschränkungen durch Anwendung von Gleitkommaregeln und der Menge der Gleitkommazahlen G führen, sondern hier in dem Schwarmmodell auf der Menge der ganzen Zahlen ℤ
in Verbindung mit einer erweiterten Manhattanmetrik beruhen, die auch diagonale Bewegungen in einem Step zulässt. Als Konsequenz ergibt sich bei dem Schwarmmodell die Simulation
in einer 2-dimensionalen Ebene (, die man mit erhöhtem Softwareaufwand in eine 3-dimensionale Simulation überführen könnte,) gegenüber dem Modell mit komplexen Zahlen, das
sich in der 1. Dimension auf den Realanteil bezieht und in der 2. Dimension auf Wahrscheinlichkeiten bezieht. Weil man aber davon ausgehen kann, das auch bei
Erhöhung von Dimensionen die Grundstruktur von Erscheinungsbildern grundsätzlich Gemeinsamkeiten aufweist, lassen sich auch Vergleiche zwischen diesen Modellen
ziehen.
Das Schwarmmodell zeigt den Wechsel zwischen dem Möglichkeitsfeld und einer bidirektionalen Übertragungsfunktion, bei der die alten und neuen Positionen der Boids
zwischen dem virtuellen Beobachtungsfeld und dem Möglichkeitsfeld hin und her gespiegelt werden. Die Wahrscheinlichkeiten aus dem Möglichkeitsfeld und ihre
Selektion als Entscheidung ergeben sich dabei aber aus den Schwarmregeln, die in der Schwarmsimulation algorithmisch vollzogen
werden.
Für den gesamten Prozess des Schwarmverhaltens besteht aus Sicht eines jeden Boids auch eine Beziehung zu den im Abschnitt "5. Simulationen" beschriebenen Skandha:
Lediglich bei Lebewesen mit einer
Reflexionsfähigkeit des eigenen Bewusstseins und der reflexiven Erkenntnis aus einer Selbstbeobachtung (3. Nen im Modell von Katsuki Sekida) kann unter
Umständen die Entscheidung im Unbewussten kurz vor der sich daraus ergebenden Handlungsausführung unterbrochen werden, so dass ein neuer
Entscheidungsprozess oder eine alternative intuitive Entscheidung zur Ausführung gebracht werden kann. Es ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung
zeitlich bereits vor Eintreten des 4. Skandha im Unbewussten geschieht. Das Wirken der Skandha 1-4 entspräche damit den Vorgängen in der Übertragungsfunktion und
im virtuellen Beobachtungsfeld und denjenigen Schwarmregeln, die mit Wahrnehmung und Erkenntnis (also dem Intellekt im Sinne eines reflexiven Erkennens) zu tun haben;
die inhärente Entscheidungsfindung auf Basis
grundlegender Schwarmregeln im Dharmakaya entspräche dann den nicht-energetischen Wellenfunktionen im Möglichkeitsfeld.
Laut Chögyam Trungpa besteht ein reger Wechsel zwischen den 3 Kayas in beide Richtungen.
Übertragen auf das Modell von Ralf Otte sollte daher auch dort ein bidirektionaler Wechsel mittels der Übertragungsfunktion erfolgen. Im Dzogchen geht man
letztendlich (nach James Low oder Tenzin Wangyal Rinpoche)
davon aus, dass das Modell der 3 Kayas seinen wesentlichen Sinn darin erfährt, Meditierenden die Qualitäten der 3 Kayas erfahren zu lassen, um daran anschließend
zu erkennen, dass die 3 Kayas ein Konzept innerhalb eines einzigen "Raumes" darstellen, dem Dharmadhatu, aus dem alle Erscheinungen hervorgehen.
Um in einer ersten Annäherung zu sehen, ob es Ähnlichkeiten oder sogar Homologien zwischen Schwarmintelligenz und den anderen Modellen gibt, werden in den folgenden Beispielen
die sich ergebenden Unterschiede innerhalb von Schwärmen gezeigt, die durch Variation der Schwarmregeln zu unterschiedlichen
Schwarmstrukturen führen und auch den Einfluss der Trajektorien durch die Gradientenregel erkennen lassen. Die Schwarmregeln selbst (z.B. Kohäsion, Separation oder
Alignment nach Craig Reynolds) sind hier allerdings nicht weiter beschrieben.
Symbolik:
Bild 1 zeigt die Trajektorien auf Basis der Gradientenregel bei einem Sichtfeld der Boids von 90 Grad, wie man es bei vielen Tierschwärmen vorfinden kann. Das Bild
zeigt eine Aufteilung eines Schwarms in 2 Teilschwärme.
Bei Bild 2 wird gegenüber Bild 1 der Einfluss des Sichtfeldes auf die Schwarmstruktur bzw. das Schwarmverhalten gezeigt (wie beispielsweise bei
einigen Fischarten). Hier ist der Schwarmzusammenhalt größer als bei einem kleineren Sichtfeld.
Bei Bild 3 wird an Stelle der Gradientenregel die Schwerpunktregel bei einem Sichtfeld von 90 Grad gezeigt, die zu vollkommen anderen Schwarmstrukturen führt,
die man eher bei Insekten vorfinden kann.
Bei Bild 4 wird ebenfalls die einfachere Schwerpunktregel verwendet aber bei Nachbarschaftsbeziehungen mit nur 6 Nachbarn, wie man sie häufiger in Tierschwärmen vorfindet.
Hier in Bild 5 hat der Winkel des Sichtfeldes erheblich größere Auswirkungen auf die Schwarmstruktur. Es bilden sich viele kleine Teilschwärme,
da nun die Schwerpunkte eng beieinander
liegen und keine Trajektorien gebildet werden ähnlich wie bei Feuerfliegen (Photinus Carolinus). (Die Feuerfliegen sind allerdings in der Lage sich zusätzlich über periodische
Leuchtsignale mittels Biolumineszenz zu synchronisieren, was ihnen erlaubt bei Dunkelheit Schwarmregeln zu befolgen.)
Die Anzahl vorhandener Boids sowie die Anzahl der Nachbarn, aus denen sich eine Nachbarschaftsgruppe zusammensetzt, bestimmen ebenfalls die Struktur von Schwärmen (Bild 6 und 7).
DIe Gegenüberstellung bei kleinerer Schwarmgröße mit Gradientenregel und unterschiedlichem Sichtfeld zeigen die Bilder 8 und 9. Hier sind die Unterschiede ebenfalls
erkennbar wie bei den Beispielen von Bild 1 und 2. Das größere Sichtfeld (Bild 9) führt hier ebenfalls zu einer höheren Dynamik im Schwarm ähnlich wie bei Bild 2.
Bei Bild 9 bildet sich aus 2 Teilschwärmen ein gemeinsamer Schwarm. Bild 8 zeigt eine (vorübergehende) Konzentration auf einen (vorübergehenden) gemeinsamen
Schwarmschwerpunkt, der von den Boids aber bei den hier vorhandenen Schwarmregeln selbst nicht erkannt werden kann. Als Folge einer Mindestabstandsregel wird sich
der gemeinsame Schwerpunkt in Kürze wieder auflösen.
Weitere Dynamisierungen, die in diesen Grafiken aber nicht dargestellt sind, werden sichtbar, wenn man eine variable Geschwindigkeitsregel
für die Boids zulässt; die Grundprinzipien der
Schwarmbildung bleiben dabei aber weitgehend unverändert.
Im Vergleich zu den grafischen Darstellungen mit den Trajektorien bei Julia-Funktionen ergeben sich größere (optische) Übereinstimmungen bei Schwarmregeln,
die die Gradientenregel verwenden.
Zu untersuchen wäre, welche Analogien zwischen der Auswahl einer Entscheidung vor Beginn der Iteration - also vor dem ersten sich ereignenden Startwert der Julia-Funktion auf
Basis von Wahrscheinlichkeitswerten - und der
Anwendung einer Schwarmregel inkl. inhärenter vorrangiger Entscheidung bestehen. Im Schwingungsmodell von Lama Anagarika Govinda entspräche das möglichen Vorgängen vor
Beginn der ersten Schwingung. Im Modell von Katsuki Sekida würde die spontane Entscheidung im Unbewussten ohne weitere Untergliederung unter dem 1. Nen subsumiert.
Der größte Unterschied zwischen den Darstellungen von Wahrscheinlichkeitsdichten mit ihren Attraktoren und Trajektorien im Möglichkeitsfeld und den Schwarmbildern besteht in der
Verwendung der zugrunde liegenden Zahlenmengen: dort ℂ, hier ℤ X ℤ und den fehlenden Wahrscheinlichkeitswerten im Schwarmmodell. Die Situation ist vergleichbar
mit der im Abschnitt "6. Spiegelung" beschriebenen realen Achse im Beobachtungsfeld nach Anwendung eines künstlichen neuronalen Netzes auf die im Wahrscheinlichkeitsfeld
vorliegenden Werte. Somit kann man die Schwarmbilder als Bestandteil einer Spiegelung sehen, wobei aber die Übertragungsfunktion bisher unbekannt ist. Allerdings
verwendet die Simulation von Schwärmen ebenfalls Wahrscheinlichkeiten auf ihrer Ebene des Dharmakaya und auch auf der Ebene der Skandha, die dem virtuellen Beobachtungsfeld
entsprächen.
Die hier aufgeführten Analogien stellen allerdings lediglich einen Hinweis dar, dass Iterierte Funktionssysteme mit Regeln der Schwarmintelligenz
übereinstimmen könnten, wobei bislang unklar bleibt, wie Schwarmregeln aussehen müssten, um Julia-Fraktalen zu entsprechen, und umgekehrt, wie Julia-Funktionen oder
andere Iterierte Funktionensysteme Schwarmstrukturen abbilden könnten.
Bei beiden Vorgehensweisen handelt es sich um reduktionistische Modelle, die nicht der Wirklichkeit entsprechen, sondern nur versuchen
einen Hinweis auf Prozesse in der Natur zu geben; etwa in dem Sinne, wie ein Wegweiser, der nicht das Ziel darstellt, sondern nur einen Hinweis gibt, wo das Ziel
möglicherweise gefunden werden
kann. Nach Ansicht des Dzogchen ist eine Beschreibung niemals in der Lage auch das Ziel zu sein, sondern jede Beschreibung, jedes Gedankenkonstrukt,
jedes Konzept stellt immer nur einen Wegweiser dar.
Einen Hinweis, wie Nachbarschaftsbeziehungen bzw. Schwarmregeln auf Ebene von Möglichkeitsfeldern aussehen könnten, kann man eventuell aus Interpretationen
von David Bohm mit der von ihm beschriebenen impliziten Ordnung ableiten, die auch verträglich
mit den Aussagen des Dzogchen ist.
Eine Angleichung zwischen dem Modell von Ralf Otte und den Modellen der 3 Nen oder dem Schwingungsmodell von Lama Anagarika Govinda im Hinblick auf Gedankenprozesse
ist möglicherweise noch schwieriger.
Der Fluss der Gedanken, der sich durch die 3 Nen abbilden lässt, wird im Modell von Ralf Otte nicht direkt sichtbar, zumal hier intensiv der Wechsel zwischen
Möglichkeitsfeld und Beobachtungsfeld über die Übertragungsfunktion das Erkennen des Flusses erschwert. Katsuki Sekida hat aber auch eine spezielle Folge
von Nen beschrieben, bei der lediglich eine Kette der 1. Nen auftritt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um nicht-konzeptuelle Gedanken, die unbewusst ablaufen.
Das gezielte Ausschalten des 2. und 3. Nen ist dabei nur erfahrenen Meditierenden möglich. Die unbewusst entstehenden Gedanken sind unabhängig vom konzeptuellen Ich.
Nach Chögyam Trungpa sind sie Bestandteil einer eigenen selbst-existierenden Intelligenz, aus der auf Basis einer Art bidirektionaler Verbindung (Übertragungsfunktion)
zwischen Zufall im Sinne einer Wahrscheinlichkeit (Möglichkeitsfeld) und einem freien Willen Gedanken (virtuelles Beobachtungsfeld) spontan entstehen. Er sieht den Grund
für diese Art des Denkens in einer bestimmten, selbst-existierenden Intelligenz, die mit der Gesamtheit in Verbindung steht, die präziser ist, die nicht verbal ist.
Diese Form unbewusster Gedanken und den damit verbundenen Entscheidungen entspricht dabei dem Entscheidungsvorgang bei den Libet-Experimenten, die zeitlich vor einer
konzeptuellen Entscheidung eines scheinbaren, konzeptuellen Ich entstehen.
Wenn, während so der kontinuierliche Ablauf der Unterbewusstseinsmomente geschieht, die Sinnesorgane der Wesen geeignet sind, ein Objekt aufzunehmen, dann findet, wenn ein Sehobjekt in den Gesichtskreis eintritt, bedingt vom Sehobjekt eine Anregung (ghattana) des physischen Sehorgans statt. Kraft dieser Anregung geschieht eine Erregung (calana) des Unterbewusstseins. Daraufhin bricht der Strom der Unterbewusstseinsmomente ab und es entsteht ein funktionales Geistelement (kiriya-mano-dhatu). Dieses macht dieses Sehobjekt zum Objekt und erfüllt die Funktion des Aufmerkens (avajjana), indem es gleichsam den Unterbewusstseinsstrom unterbricht.Herbert Guenther beschreibt zu dieser Thematik im Anklang an die Sicht der Quantenphysik 3 Phasenräume mit dazwischen bestehenden Symmetriebrechungen. Übertragen auf die 3 Nen umfasst der Phasenraum des 1. Nen dann das Unbewusste, das dem Dharmadhatu/dem Urgund entspräche. Jeder Phasenraum enthält das Potenzial aller Möglichkeiten. Hieraus ergibt sich für den 2. und 3. Nen abhängiges Entstehen, also eine Ursache-Wirkungsbeziehung. Dagegen können für den 1. Nen im Dharmadhatu keine Referenzpunkte oder konkrete Regeln und auch keine Ursache-Wirkungsbeziehungen erkannt werden. Auch der Übergang/der Symmetriebruch zwischen dem 1. und dem 2. Nen sowie auch das Zustandekommen von Entscheidungen in Verbindung mit dem Dharmadhatu sowie der potenziellen Bewusstwerdung des unbewussten 1. Nen entziehen sich der bewussten Wahrnehmung, bis sie schließlich als 2. oder 3. Nen als bewusst erkannt werden können.
"UBI NOTA QUOD UNITAS SIVE UNUM VIDETUR PROPRIUM ET PROPRIETAS INTELLECTUS SOLIUS."wird beispielsweise von Dietmar Mieth (2002) übersetzt und ist identisch mit der von Joseph Koch et al. vorher entstandenen Übersetzung, die im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1956-1987) entstand:
Hierzu bemerke, daß die Einheit oder das Eine das Eigentümliche und die Eigentümlichkeit des Intellekts allein zu sein scheintWeiter heißt es (mit Übersetzung von Joseph Koch):
... DEUS VIDENS, DEUS VIDENTIUM, QUI SILICET INTELLEGIT ET SOLO INTELLECTU CAPITUR QUI EST INTELLECTUS SE TOTO.Für diejenigen, die Erfahrungen mit Mahamudra-Meditation bzw. Meister Eckharts Form der Abgeschiedenheit des Geistes haben, bleibt diese hier verbal wiedergegebene Auffassung unzureichend. Das liegt auch daran, dass das Wort "INTELLECTUS" verwendet wurde, das im Deutschen mehrere Wortbedeutungen umfasst und im Laufe der Jahrhunderte auch mehrfach seinen Wortsinn veränderte.
"... der schauende Gott, der Gott der Schauenden, das heißt, der denkt und mit dem Intellekt allein erfaßt wird, der ganz und gar Intellekt ist."
... er [der Mensch] muß vielmehr so ledig sein allen Wissens, daß er nicht wisse, noch erkenne, noch empfinde, daß Gott in ihm lebt; mehr noch; er soll ledig sein allen Erkennens, das in ihm lebendig ist.Auch geht Meister Eckhart auf die Problematik des Verstehens seiner Aussagen ein, indem er ausdrückt, dass es von ihm Aussagen gibt, die dem herkömmlichen intellektuellen Verständnis (2. und 3. Nen, im Tibetischen sems-blo) entsprechen und andererseits Aussagen, die der Sicht des Denkens als solches (sems-nyid) entsprechen, bei der ausgehend vom 2. und 3. Nen eine Sicht auf den 1. Nen geworfen wird. Er sagt:
Wer diese Rede nicht versteht, der bekümmere sein Herz nicht damit. Denn, solange der Mensch dieser Wahrheit nicht gleicht, solange wird er diese Rede nicht verstehen; denn dies ist eine unverhüllte Wahrheit, die aus dem Herzen Gottes kommt.Aus dieser Sicht heraus ist auch der folgende Text zu verstehen, der ebenfalls aus Sermon XXIX "DEUS UNUS EST" stammt. Hier ein wörtliches Zitat einer Übersetzung von Dietmar Mieth:
Der Intellekt ist ja im eigentlichen Sinnes Gottes, Gott aber ist einer. Wieviel also an Intellekt oder an Denkvermögen ein jedes hat, so viel hat es von Gott. Denn der eine Gott ist Intellekt, und der Intellekt ist der eine Gott. Daher ist Gott niemals und nirgends Gott außer im Intellekt. ... Zum Intellekt aufsteigen und sich ihm unterwerfen bedeutet also mit Gott vereinigt zu werden. Geeint werden, eines sein, ist eins mit Gott sein. Denn Gott ist einer, alles Sein neben dem Intellekt, außerhalb des Intellekts ist Geschöpf, ist erschaffbar, ist etwas anderes als Gott, ist nicht Gott, denn in Gott gibt es kein Anderes.Der Vollständigkeit halber hier auch der Auszug aus dem Original-Text:
INTELLECTUS ENIM PROPRIE DEI EST, DEUS AUTEM UNUS. IGITUR QUANTUM HABET UNUMQUODQUE DE INTELLECTU SIVE DE INTELLECTUALI, TANTUM HABET DEI ET TANTUM DE UNO ET TANTUM DE ESSE UNUM CUM DEO. DEUS ENIM UNUS EST INTELLECTUS, ET INTELLECTUS EST DEUS UNUS. UNDE DEUS NUNQUAM ET NUSQUAM EST UT DEUS NISI IN INTELLECTU. ... ASCENDERE IGITUR AD INTELLECTUM, SUBDI IPSI, EST UNIRI DEO. UNIRI, UNUM ESSE, EST CUM DEUM ESSE. DEUS ENIM UNUS EST. OMNE ESSE PRAETER INTELLECTUM, EXTRA INTELLECTUM CREATURA EST, CREABILE EST, ALIUD EST A DEO, DEUS NON EST. IN DEO ENIM NON EST ALIUD.Gegen diese Übersetzung Dietmar Mieths ist nichts einzuwenden (lediglich ein kleiner Flüchtigkeitsfehler im ersten Satz). Aber mit der weitergehenden Bedeutung des Begriffs "Intellekt" kommt man zu dem Ergebnis, dass Gott in seinem Aspekt als "vom Menschen getrennt" nicht konzeptuell denken kann, keine Bewertungen vornehmen kann und auch nicht einmal erkennen kann, was außerhalb von ihm geschieht. Das ist für das Christentum mit der Grundlage der Bibel und dem dort enthaltenen Dualismus natürlich eine nicht akzeptable, häretische Auslegung. Es gilt dann nicht einmal mehr die Aussage "Am Anfang war das Wort". Zu der Übersetzung des im lateinischen Text benutzten Wortes "LOGOS" sagt Meister Eckhart in seinem Sermon "GRATIA DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI":
... Daher heißt es "Am Anfang war das Wort" (Joh 1,1), der LOGOS, wie der Grieche sagt, was Idee heißt.Durch Meister Eckharts vorgenommene Richtigstellung beim Begriff "LOGOS", der umfangreichen unterschiedlichen Bedeutungen entsprechen kann, mit dem von ihm gewählten Begriff "Idee" ergibt sich ein neuer Sinn. Während der Begriff "Wort" mit konzeptuellem Denken verbunden ist, kann "Idee" hiervon frei sein und sich auf Spontanität oder einen Impuls beziehen, was beim Begriff "Wort" nicht der Fall ist. "Wort" bezieht sich auf den 2. und 3. Nen, während "Idee" eine Verknüpfung zum 1. Nen zulässt. Damit legt Meister Eckhart diesen Bibelspruch ganz anders aus; er zeigt, dass eine nonverbale Idee spontan geboren wird - ähnlich wie eine Vakuumfluktuation - , während verbale Gedanken erst nachfolgend greifen. Genau das entspricht den Messungen beim Libet-Experiment. Entscheidungen können entstehen, bevor das menschliche Bewusstsein oder der Intellekt aktiv werden. Das passt auch mit der vorherigen Deutung zu "INTELLECTUS" zusammen, dass Gott nicht konzeptuell denken kann, aber durch nonverbal getroffene Entscheidungen (1. Nen) wirken kann.
Der Vater ist der, aus dem alles der Wirkung nach, der Sohn der, durch den alles der Form nach, der Heilige Geist der, in dem alles dem Ziel nach ist. ...Dieses Prinzip findet sich auch in dem Systementwurf Ralf Ottes mit seinen Möglichkeitsfeldern und den virtuellen Beobachtungsfeldern wieder, die mittels einer hyperkomplexen Algebra durch eine Übertragungsfunktion verknüpft werden. Hierin spiegelt sich auch das Prinzip der 3 Nen des Zen-Meisters Katsuki Sekida. Erst die (evolutionäre) Entwicklung des geistigen Vermögens wie beim Menschen hat es erlaubt, konzeptuelles Denken, Bewertungen usw. (2. und 3. Nen) vorzunehmen. Erst in dieser vollständigen Einheit Gottes mit einem konzeptuellen Verstand ist diese konzeptuelle Form des Denkens möglich; diese Einheit wird im tibetischen Buddhismus Svabhavikakaya genannt, der allerdings nontheistisch zu sehen ist. Mit seinen Aussagen nähert sich Meister Eckhart vorsichtig, aber nicht vollständig der Philosophie eines Panentheismus an. Hätten seine Inquisitoren diese Doppelbedeutung seiner Aussagen verstanden, wäre Meister Eckhart vermutlich ebenfalls auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Nicht gehört Gott zu allen Dingen, sondern er ist die Ursache und der Grund aller Dinge und er ist über allen und hat nicht teil an ihrer Zählung, Teilung oder Unterscheidung. Bemerke hierzu, daß das aus ihm nicht die Wirk-Ursache, sondern die Idee der Wirk-Ursache ist. Ähnlich ist das durch ihn die Idee der Form-Ursache und das in ihm der LOGOS oder die Idee der Ziel-Ursache.
[in quantum mechanics] we have the paradoxical situation that observable events obey laws of chance, but that the probability for these events itself spreads according to laws which are in all essential features causal laws.Dies entspricht auch den Aussagen Ralf Ottes, wonach eine Wellenfunktion statistisch über Verschränkungskorrelationen auf ein Möglichkeitsfeld einwirken kann und deren Wahrscheinlichkeitsamplituden verändern kann, wodurch geistige Zustände auf materielle Strukturen einwirken können.
V.V. Nalimov ergänzt hierzu:
Now if we deal with a quantum ensemble exhaustively described by a set of dynamic variables q1, q2, ..., which are measured simultaneously and independently, the probabilty of finding a definite value of the set is determined by the probability density
WM(q) = |ΨM(q)|2
The wave function WM is explicitly given as a function of the coordinates q. It determines the statistics of any measurement of the microsystem compatible wirh a macrosystem M which dictates the conditions for the changes in the microsystem (Blokhintsev, 1966). It is possible to speak of a proballistically determined potential for a certain behavior under certain macroconditions even for a single electron. Potentiality may be said to be a proballistically determined limit of freedom given to an electron.
Der Dharmakaya ist durch nichts bedingt. Der Sprung wurde schon gemacht. Wenn wir uns eindeutig dafür entscheiden zu springen, sind wir schon gesprungen. Das Springen selbst ist wie eine Wiederholung oder etwas Überflüssiges. Wenn wir uns einmal entschieden haben zu springen, sind wir bereits gesprungen.Im Dzogchen bleibt eine Polarität von Entscheidungsfreiheit und Determinismus ohne Bedeutung. James Low sagt hierzu, dass Handlungen aus der Spontanität des non-dualen Feldes entstehen.
Diese Kette der 1. Nen lässt sich durch die folgende Grafik veranschaulichen:
Vielleicht lässt sich für diese einfacheren Gedankenketten leichter ein Abbild im Modell von Ralf Otte finden. Allerdings bleibt bei der Kette der 1. Nen offen,
was innerhalb einer jeden Phase der Gedankenkette passiert. Die Kette der 1. Nen erscheint aber sehr ähnlich wie der Ablauf einzelner Trajektorien, die
zur Ausbildung von Attraktoren innerhalb von Julia-Mengen führen. Vergleiche hierzu die Bilder 1-3 aus Serie 1 oben.
Bild 1 (Serie 4) zeigt den Startpunkt (weiß) und den Endpunkt (rot) einer Iteration einer Julia-Funktion mit stärker strukturierten Flächen.
Bei den Bildern 2-4 wurde als neue Störgröße c der Wert der 50. Iteration von Bild 1 angesetzt (ci+1=ci) und daran
anschließend erneut 50 Iterationen ausgeführt.
Es zeigt sich eine selbst gesteuerte Konsolidierung der Trajektorie, die gleichzeitig mit einer Harmonisierung der Julia-Fläche einhergeht, bei der
sowohl die Verästelungen in der Struktur reduziert werden als auch die Wahrscheinlichkeitsdichten erhöht werden. Erkennbar ist dies
an der einfacheren Struktur der Trajektorie und am Unterschied
der Farbgebung innerhalb der teilweise rot gefärbten Julia-Fläche in Bild 1 gegenüber einer einheitlicheren, dunkleren Färbung in den Bildern 2-4.
Die Bilder 2-4 zeigen außerdem alternierende Endpunkte der Trajektorie, die von Ralf Otte als alternierende Wahrnehmungen gedeutet werden.
In Bild 5 wird der Beginn der Trajektorie nach der 3. Iteration gezeigt. Nach Anagarika Govinda beginnt erst nach dieser Schwingung die bewusst werdende Wahrnehmungsphase
des 2. und 3. Nen.
Im daran anschließenden Bild 6 wird für die 4. Iteration der aus der 3. Iteration berechnete Endzustand der Trajektorie als neue Störgröße verwendet.
Dieser Prozess für c mit (ci+1=ci) müsste eigentlich auch bei der Berechnung des Attraktors wie bei Bild 1 mit 50 Iterationen durchgeführt werden, um den
Konsolidierungsprozess genauer verfolgen zu können. Ob die Resultate dabei signifikant von der Trajektorie aus Bild 1 abweichen, wurde hier
(noch) nicht untersucht. Das divergierende sich selbst organisierende Verhalten des Attraktors zeigt sich in den Bildern 7 und 8. Während eine direkte 16-fache Iteration bei Bild 7
mit unveränderlicher Störgröße c ein stabiles Ergebnis des Attraktors innerhalb der Julia-Fläche erzeugt, wird nach einer Übernahme der Störgröße c wie bei Bild 4 bei ebenfalls
16-facher Iteration ein repulsives Verhalten erzeugt. Das Auftreten eines repulsiven Endpunkts bei der 16. Iteration (bzw. hier bereits ab der 8. Iteration)
würde nach dem Modell von Lama Anagarika Govinda bedeuten,
dass eine Wahrnehmung erkannt und reflexiv-bewusst geworden ist, dass diese Wahrnehmung aber nicht zu einer vollständig selbst-reflexiven Empfindung geführt hat. Das wäre
beispielsweise vergleichbar mit der Wahrnehmung eines Säugetieres.
Bisher nicht durchgeführt wurde eine Untersuchung, welche Ergebnisse im Regelfall entstehen, wenn man immer bei jedem
Iterationsschritt c auf (ci+1 := ci) setzt, was bei einem sich selbst-organisierenden System zu erwarten wäre.
Generell muss aber gesagt werden, dass nicht klar ist, ob die Zahl der Schwingungen mit der Zahl der Iterationen übereinstimmt.
Hier sind noch viele ungeklärte Annahmen im Spiel. Auch das Verhältnis zwischen den einzelnen Phasen in der Kette des 1. Nen und der Anzahl von Schwingungen ist ungeklärt
wie auch die Auswirkungen auf das Iterierte Funktionensystem bei einem Wechsel von einem 1. Nen zum nächsten 1. Nen. Auch wie Schwarmregeln aussehen könnten, die der
selbst-existierenden Intelligenz entsprechen, ist bisher vollkommen unbekannt und nach buddhistischer Auffassung auch nicht bestimmbar.